Verein Weiss- und Schwarzkunst Yvonne Camenzind und Roger Tschopp gründeten 2013 den Verein mit einer kleinen Gruppe von Interessierten, um sich mit Papier und Druck zu beschäftigen, was ihr Lehrberuf war. Der traditionelle Buchdruck ist fast 600-jährig und wurde in den 70er Jahren durch den Fotosatz abgelöst. An dieser Stelle erzählt Yvonne über ihr Wirken und gewährt Einblicke in die Bestrebungen den Buchdruck im 21. Jahrhundert neu zu definieren, zu pflegen und in Workshops zu vermitteln. Ihr «Vereinslokal» ist in der alten Cherzi in Hochdorf.
Vom Setzkasten im Keller zum Manufakturauftrag Es begann mit einem vollen Original-Setzkasten (Bodoni, 10pt), den Roger schon sechsmal an einen anderen Wohnort zügelte. Giambattista Bodoni hatte die Schrift 1790 in Parma geschnitten (ital. Typograf, Stempelschneider und er galt als bester Buchgestalter des Klassizismus). Gutenbergs Buchdruck ist ein revolutionäres Kulturgut, welches im Speziellen ein Berufsmann, auf keinen Fall entsorgt.
Roger Tschopp erinnerte sich, mit Blick auf den Setzkasten, wie er
1979 als einer der letzten gelernten Akzidenzsetzer, die ersten
Lehrjahre «Totenhelgeli» (Leidbilder) setzte. Zwei Jahre später nimmt
er, wie alle in der Druckbranche, vom gelernten Handwerk Abschied. Er
liebt und beherrscht die Handfertigkeiten, gestaltet im Horizontalen und
Vertikalen und behält den Duft aus einer Mischung von Farbe und
Walzenwaschmittel wohl für immer in der Nase.
Die Schriftsetzer und Schriftsetzerinnen, die mit schwarzen kurzen
Schürzen, in den Gassen von ‘zig Original-Setzkästen standen und einen
Buchstaben nach dem anderen in den Winkelhaken setzten, werden von
aussen betrachtet zu Büroangestellten. Sie tippen mit abstrakten Codes
am Fotosatzgerät Textspalten, die die Typo-Designer zu Layouts kleben.
Bereits ab den 90er Jahren ändern die Maschinen wieder und im Gewand des
neuen Berufes Typograf (später Polygraf) erstellen sie am Mac die
fertigen Zeitungs-, Zeitschriften- oder Buchseiten.
Die Schweizer Typografie, die sich seit 1955 mit Gestaltungsraster, Groteskschriften, extremen Weissräumen und dem Verzicht auf Schmuckelemente auszeichnet, verfeinerte sich dafür in der Detailtypografie. Ein Bleisatzbeispiel: Der «V» im Wort Vogel steht weit vom «ogel» entfernt. Dies deshalb, weil der «V» auf einem fast quadratischen Bleikegel hockt. Das «ogel» sollte, damit es optisch passt, etwas in den weissen Raum vom «V» geschoben werden können. Vorallem bei Titeleien. Sehen Sie! Und weil das mit der Säge mühsam und mit zwei Druckdurchgängen aufwändig wurde (zuerst das «V» gedruckt und nach dem trocknen der Farbe das «ogel»), kam in unserem Beruf die digitale Revolution trotzdem richtig!
Nichts ist so modern wie die Technik von gestern Viele
der formschönen schwarzen Buchduckmaschinen nutzt man in modernen
Druckereien weiterhin um den Druckbogen mit Schlitzen, runden Formen
weiter zu verarbeiten oder zu nummerieren. Ein Tiegelbeispiel: Die mit
Luftdruck geführte Papieranlage saugt das Papier an und führt es in den
Aufzug, der sich öffnet und schliesst. Ein Blatt um das andere wird
bedruckt und abgelegt. Oben sind sechs Farbwalzen, wo der Drucker die
Farbe mit dem Spachtel von Hand aufträgt. Da ist nichts Digitales, da
ist sehr viel Gefühl, denn die Bleiletter dürfen das Papier nur zart
küssen ohne Prägespuren zu hinterlassen. Die gedruckte Schrift wirkt auf
ihre Art lebendig, der grösste Unterschied sieht man, wenn man den
ersten und den letzten Druckbogen vergleicht. Anders ist es mit der
speziellen Letterpress-Technik. Da presst man die digital hergestellte
Hochdruckvorlage (Klischée) möglichst tief und gleichmässig, mit viel
Druck in dickes luftiges Papier. Man kann es spüren, fühlen und
natürlich sehen. Farbe und Druck im gleichen Durchgang.
Mit diesen kraftvollen Maschinen mit dem charakteristischen
Schnauben, viel Herzblut und einer engagierten Kollegenschaft träumen
die Berufsleute nicht mehr nur von ihrem Lehrberuf, sondern sie arbeiten
in der voll eingerichteten Buchdruckerei «Weiss- und Schwarzkunst» (mit
Papierschöpf- und Buchbindeatelier) in Teilzeit oder als Hobby.
Die Produktionsbilder zeigen zwei aussergewöhnliche Druckaufträge. Wir machen das Gegenteil von Kunst, aber wir arbeiten gerne mit Künstler zusammen. Der 64seitige Ausstellungskatalog «Die Poesie des Fremden» (K. Mairitsch) sowie das Büchlein «Von Ich bis Frau» (Edition Seitensprung) wurden auf Originalzeichnungen der Künstlerin Karin Mairitsch aus Luzern gedruckt und von Hand gebunden. Bei solch wertvollen Papierbögen muss man ganz besonders konzentriert arbeiten, damit kein Verlust entsteht. Die Druckvorlagen sind aus verschiedenen Materialien: Von Hand gesetzte Bleiletter, Holzbuchstaben und Klischées. Das Resultat ist dementspechend unvergleichlich und jedes Exemplar ein Unikat.
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Offene Samstage
Analoge Druckkunst entdecken
Die offenen Samstage sind für alle interessierten Kulturerb:innen, die sich Buchdruck, Steindruck (Lithografie) und Handbuchbinderei anschauen möchten. Freier Eintritt.
2024
7. Dezember, 13.30 bis 17 Uhr
…und am Samstag, dem 28. September, 14 bis 20 Uhr laden wir alle Mitglieder und Nichtmitglieder zum gemütlichen Jahresausklang und Austauch ein.
Verein Weiss- und Schwarzkunst
Yvonne Camenzind und Roger Tschopp gründeten 2013 den Verein mit einer kleinen Gruppe von Interessierten, um sich mit Papier und Druck zu beschäftigen, was ihr Lehrberuf war. Der traditionelle Buchdruck ist fast 600-jährig und wurde in den 70er Jahren durch den Fotosatz abgelöst. An dieser Stelle erzählt Yvonne über ihr Wirken und gewährt Einblicke in die Bestrebungen den Buchdruck im 21. Jahrhundert neu zu definieren, zu pflegen und in Workshops zu vermitteln. Ihr «Vereinslokal» ist in der alten Cherzi in Hochdorf.
Vom Setzkasten im Keller zum Manufakturauftrag
Es begann mit einem vollen Original-Setzkasten (Bodoni, 10pt), den Roger schon sechsmal an einen anderen Wohnort zügelte. Giambattista Bodoni hatte die Schrift 1790 in Parma geschnitten (ital. Typograf, Stempelschneider und er galt als bester Buchgestalter des Klassizismus). Gutenbergs Buchdruck ist ein revolutionäres Kulturgut, welches im Speziellen ein Berufsmann, auf keinen Fall entsorgt.
Roger Tschopp erinnerte sich, mit Blick auf den Setzkasten, wie er 1979 als einer der letzten gelernten Akzidenzsetzer, die ersten Lehrjahre «Totenhelgeli» (Leidbilder) setzte. Zwei Jahre später nimmt er, wie alle in der Druckbranche, vom gelernten Handwerk Abschied. Er liebt und beherrscht die Handfertigkeiten, gestaltet im Horizontalen und Vertikalen und behält den Duft aus einer Mischung von Farbe und Walzenwaschmittel wohl für immer in der Nase.
Die Schriftsetzer und Schriftsetzerinnen, die mit schwarzen kurzen Schürzen, in den Gassen von ‘zig Original-Setzkästen standen und einen Buchstaben nach dem anderen in den Winkelhaken setzten, werden von aussen betrachtet zu Büroangestellten. Sie tippen mit abstrakten Codes am Fotosatzgerät Textspalten, die die Typo-Designer zu Layouts kleben. Bereits ab den 90er Jahren ändern die Maschinen wieder und im Gewand des neuen Berufes Typograf (später Polygraf) erstellen sie am Mac die fertigen Zeitungs-, Zeitschriften- oder Buchseiten.
Die Schweizer Typografie, die sich seit 1955 mit Gestaltungsraster, Groteskschriften, extremen Weissräumen und dem Verzicht auf Schmuckelemente auszeichnet, verfeinerte sich dafür in der Detailtypografie. Ein Bleisatzbeispiel: Der «V» im Wort Vogel steht weit vom «ogel» entfernt. Dies deshalb, weil der «V» auf einem fast quadratischen Bleikegel hockt. Das «ogel» sollte, damit es optisch passt, etwas in den weissen Raum vom «V» geschoben werden können. Vorallem bei Titeleien. Sehen Sie! Und weil das mit der Säge mühsam und mit zwei Druckdurchgängen aufwändig wurde (zuerst das «V» gedruckt und nach dem trocknen der Farbe das «ogel»), kam in unserem Beruf die digitale Revolution trotzdem richtig!
Nichts ist so modern wie die Technik von gestern
Viele der formschönen schwarzen Buchduckmaschinen nutzt man in modernen Druckereien weiterhin um den Druckbogen mit Schlitzen, runden Formen weiter zu verarbeiten oder zu nummerieren. Ein Tiegelbeispiel: Die mit Luftdruck geführte Papieranlage saugt das Papier an und führt es in den Aufzug, der sich öffnet und schliesst. Ein Blatt um das andere wird bedruckt und abgelegt. Oben sind sechs Farbwalzen, wo der Drucker die Farbe mit dem Spachtel von Hand aufträgt. Da ist nichts Digitales, da ist sehr viel Gefühl, denn die Bleiletter dürfen das Papier nur zart küssen ohne Prägespuren zu hinterlassen. Die gedruckte Schrift wirkt auf ihre Art lebendig, der grösste Unterschied sieht man, wenn man den ersten und den letzten Druckbogen vergleicht. Anders ist es mit der speziellen Letterpress-Technik. Da presst man die digital hergestellte Hochdruckvorlage (Klischée) möglichst tief und gleichmässig, mit viel Druck in dickes luftiges Papier. Man kann es spüren, fühlen und natürlich sehen. Farbe und Druck im gleichen Durchgang.
Mit diesen kraftvollen Maschinen mit dem charakteristischen Schnauben, viel Herzblut und einer engagierten Kollegenschaft träumen die Berufsleute nicht mehr nur von ihrem Lehrberuf, sondern sie arbeiten in der voll eingerichteten Buchdruckerei «Weiss- und Schwarzkunst» (mit Papierschöpf- und Buchbindeatelier) in Teilzeit oder als Hobby.
Die Produktionsbilder zeigen zwei aussergewöhnliche Druckaufträge. Wir machen das Gegenteil von Kunst, aber wir arbeiten gerne mit Künstler zusammen. Der 64seitige Ausstellungskatalog «Die Poesie des Fremden» (K. Mairitsch) sowie das Büchlein «Von Ich bis Frau» (Edition Seitensprung) wurden auf Originalzeichnungen der Künstlerin Karin Mairitsch aus Luzern gedruckt und von Hand gebunden. Bei solch wertvollen Papierbögen muss man ganz besonders konzentriert arbeiten, damit kein Verlust entsteht. Die Druckvorlagen sind aus verschiedenen Materialien: Von Hand gesetzte Bleiletter, Holzbuchstaben und Klischées. Das Resultat ist dementspechend unvergleichlich und jedes Exemplar ein Unikat.
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